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Verhaltene Zuversicht trotz fehlender Auslandsaufträge

Konjunkturboard Ostschweiz Q1 2024 Verhaltene Zuversicht trotz fehlender Auslandsaufträge

14. Februar 2024 | Der Abwärtstrend in der Ostschweizer Wirtschaft konnte weitestgehend aufgefangen werden. Der Binnenmarkt weist weniger starke Bremsspuren auf als zuletzt befürchtet und Teile der Industrie zeigen Anzeichen einer Erholung. In den exportorientierten Branchen akzentuiert sich jedoch der Mangel an Auslandsaufträgen. Neben der schwachen konjunkturellen Lage im Ausland belastet der starke Franken zunehmend. Derweil bleibt es auf dem Arbeitsmarkt trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten ruhig.

Die wirtschaftliche Situation in der Ostschweiz zeigte sich im vergangenen Quartal weiterhin solide. Nach wie vor besteht aber eine grosse Diskrepanz zwischen Binnenmarkt und Exportsektor. Auch innerhalb der Industrie zeigen sich verschiedene Tendenzen. Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie beweist Stärke und berichtet von einer guten Geschäftslage. Der Ostschweizer Maschinen- und Fahrzeugbau konnte nach einer Eintrübung zuletzt wieder leicht zulegen. Demgegenüber ist die Stimmung in der Metallindustrie und unter den Unternehmen im Bereich Elektronik und Optik weiter angespannt. Unter Letzteren berichtet derzeit jedes zweite Unternehmen von einer «schlechten» Geschäftslage.


 

Fast die Hälfte der Ostschweizer Industrieunternehmen beurteilt den Bestand an Auslandsaufträgen als «zu tief». Unter den Firmen im Bereich Elektronik und Optik sind es sogar deren 81 Prozent. Für die leeren Auftragsbücher gibt es verschiedene Gründe. Die wichtigen Handelspartner Deutschland und China sehen sich mit anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Zudem belastet der starke Schweizer Franken die exportorientierte Ostschweizer Industrie: Im vergangenen Jahr federte die deutlich höhere Inflation in der Eurozone und in den USA die Frankenstärke weitgehend ab, Schweizer Exporteure konnten im Ausland vergleichsweise einfach höhere Preise durchsetzen. Die seit Ende November zu beobachtende starke reale Aufwertung des Frankens verteuert Schweizer Waren für ausländische Kunden. Folglich berichten Unternehmen zunehmend von einer Verschlechterung ihrer Wettbewerbsposition im Ausland. «Eine Entspannung an der Währungsfront ist nicht zu erwarten, der Franken wird weiter in Richtung Stärke neigen», sagt Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte der St.Galler Kantonalbank.

 

Aufträge dürften wieder anziehen, positive Impulse bleiben aus

Dennoch stimmen die Erwartungen der Industrie fürs erste Halbjahr 2024 zuversichtlich. «Der Lagerabbauzyklus ist in vollem Gange, was wieder vermehrt Bestellungen nach sich ziehen wird», führt Beat Schiffhauer aus. Auch die Lager an Vorprodukten in Unternehmen im In- und Ausland nehmen ab. Entsprechend erwartet die Mehrheit der Ostschweizer Industrieunternehmen, dass die Auftragseingänge in den kommenden sechs Monaten wieder leicht anziehen.

Starke Impulse aus dem Ausland dürften für die nächsten Monate aber weiterhin ausbleiben. «Der Tiefpunkt in der deutschen Industrie dürfte noch nicht erreicht sein, die Aussichten stimmen wenig optimistisch», sagt Beat Schiffhauer. In China gehen erhebliche Unsicherheiten vom Immobiliensektor aus. Die USA stützen derweil weiterhin die globale Konjunktur.

 

Arbeitskräftemangel weiterhin zentrales Problem

Positive Signale gehen vom Arbeitsmarkt aus, der sich trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten weiter robust zeigt. «Die Arbeitslosenquote in der Ostschweiz liegt mit 1,8 Prozent weit unter dem langjährigen Mittel», sagt Fabio Giger, Research Analyst der IHK St.Gallen-Appenzell. Die Anfragen für Kurzarbeit bei den Kantonen sind tendenziell rückläufig. Zwar bewerten Ostschweizer Industrieunternehmen ihre Beschäftigtenzahl vermehrt als «zu gross», derzeit gibt es aber keine Anzeichen für grössere Verwerfungen im Arbeitsmarkt – auch nicht in anderen Branchen. Im Baugewerbe, aber auch im Detailhandel und im Gastgewerbe bleibt der Mangel an Arbeitskräften weiterhin eine der grössten Herausforderungen. Einzig im stark von der Abkühlung betroffenen Grosshandel zeigen sich gewisse personelle Überkapazitäten.

Binnenmarkt weist weniger starke Bremsspuren auf als befürchtet

Der Binnenmarkt in der Ostschweiz profitiert nach wie vor vom privaten Konsum, der von der hohen Arbeitsplatzsicherheit gestützt wird. Der Detailhandel blickt auf ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft zurück. Im Gastgewerbe hat sich der Abwärtstrend verlangsamt. Die Hotellerie kann fast gleich viele Logiernächte verbuchen wie im starken Vorjahr. Und auch der Ausblick des Detailhandels und des Gastgewerbes stimmt optimistisch. Weiterhin sehr erfreulich entwickelt sich die Banken- und Versicherungsbranche, die im derzeitigen Zinsumfeld wieder mehr Spielraum hat.

Die aktuelle Lage im Bausektor wird weiterhin als «gut» bewertet. Das Baunebengewerbe hat volle Auftragsbücher, vor allem dank energetischer Sanierungen bestehender Immobilien. Im Bauhauptgewerbe werden Geschäfts- und Auftragslage ebenfalls positiv eingeschätzt, auch wenn es erste Anzeichen einer leichten Abkühlung gibt. So ist der Auftragsbestand zwar leicht rückläufig, allerdings berichten die Bauunternehmen von einer guten Auftragsreichweite, die weit ins Jahr 2024 hinein reicht. Damit zeigt sich die Baubranche weiter robust gegen die gestiegenen Zinsen und die dadurch verteuerten Finanzierungsbedingungen.

Vielfältige Konjunkturrisiken

Das globale Umfeld bleibt herausfordernd. Geopolitische Risiken bleiben bestehen, wie auch die jüngsten Angriffe auf Containerschiffe im Roten Meer gezeigt haben. Diese beeinträchtigen den Transport von Produkten von Asien nach Europa und führen zu steigenden Frachtkosten und punktuell zu Lieferverzögerungen. Die Inflation zeigte sich in den vergangenen Monaten zwar rückläufig, hält sich sowohl im Ausland als auch in der Schweiz aber hartnäckig. Zuletzt machten sich hierzulande Erhöhungen von (teil-)administrierten Preisen im privaten Haushaltsbudget bemerkbar: Strompreise, Mehrwertsteuer und Krankenkassenprämien sind per Januar 2024 gestiegen, die Mietzinsen werden aufgrund des erneut angehobenen hypothekarischen Referenzzinssatzes folgen.

 

 

«Trotz aller Widrigkeiten hält sich die Ostschweizer Wirtschaft robust und zeigt einmal mehr ihre Widerstandsfähigkeit», ordnet Fabio Giger ein. Der Geschäftslageindikator verdeutlicht, dass sich die wirtschaftliche Lage im vergangenen Jahr zwar eingetrübt hat, sich jedoch noch immer im positiven Bereich und gar über Vorpandemieniveau befindet. «Nach zwei sehr starken Jahren, ausgelöst durch pandemiebedingte Nachholeffekte, befindet sich die Ostschweizer Wirtschaft jetzt in einer Konsolidierungsphase», fasst Fabio Giger zusammen.

 

Als Teil des Konjunkturboards Ostschweiz beurteilt die IHK quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft. Basis dafür bilden die regelmässigen Unternehmensumfragen in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Weitere Informationen und Analysen zu ausgewählten Branchen unter www.ihk.ch/konjunkturanalysen.